Der Weg zum Mars - Schritt 1: Billig in den Orbit

Raumfahrt war schon immer teuer. Die Apollo 11 Mission alleine hat inflationsbereinigt sagenhafte $2,5Mrd verschlungen. Diese Kosten müssen wir unbedingt massiv reduzieren, um Flüge zum Mars wirtschaftlich vertretbar zu machen. Reden wir darüber.

Der Weg zum Mars - Schritt 1: Billig in den Orbit

Um die Effizienz verschiedener Raketen vergleichbar zu machen gibt es eine entscheidende Metrik: Die Kosten, um 1kg Masse in eine niedrige Erdumlaufbahn (Low Earth Orbit, LEO) zu hieven.

Hier hat sich im letzten halben Jahrhundert einiges getan. Das desaströs teure Space Shuttle Programm kostete die NASA inflationsbereinigt $65.400 pro Kg. Dagegen sind die $8.100 der heute verwendeten Atlas V ein Schnäppchen. Der private Sektor kann's noch besser. Elon Musk hat das Potential wiederverwendbarer Raketen erkannt. Den aktuell niedrigsten Preis bietet SpaceXs Falcon Heavy, hier kostet das Kilo nur $1.500.

Leider habe ich eine schlechte Nachricht für euch: Das ist bei Weitem nicht genug. Ein kleines Rechenbeispiel: Die ISS wiegt aktuell schätzungsweise 420t und hat dabei ein Volumen, das einer 300m² Wohnung entspricht. Gehen wir für eine größere, autonome Marsbasis einmal von 2000t aus. Diese Masse in den Orbit zu befördern, würde also $3Mrd kosten.

Die maximale Nutzlast, die die Saturn V Rakete zum Mond transportieren konnte, war verglichen mit der maximalen Nutzlast in den Orbit um 66% geringer. Wenn wir ein ähnliches Verhältnis für eine Marsmission annehmen, werden die Kosten mindestens $9Mrd betragen. Ganz schön teuer. Wir brauchen also einen Plan, um das signifikant zu reduzieren.

Wer tut was?

Im Folgenden will ich einen Blick auf die Raketen werfen, die aktuell in Entwicklung sind. Einige davon sind noch in einem frühen Stadium, sodass die Kosten nicht absehbar sind. Da das Ziel ist, große Massen zum Mars zu befördern, konzentrieren wir uns auf Projekte, die mehr als 50t auf einmal in eine niedrige Erdumlaufbahn befördern können.

NASA: Space Launch System (SLS)

NASAs Ziel ist die Rückkehr zum Mond, noch in diesem Jahrzehnt. Um die Entwicklung eines neuen Raketensystems zu beschleunigen, wurde bei vielen Komponenten auf Teile des Space Shuttle Programms zurückgegriffen. Das Haupt-Tribwerk, Feststoffbooster und Kernstufe sind lediglich leicht verbesserte und angepasste Teile aus den 70ern. Das macht sich auch bei den Kosten bemerkbar. Ein Start kostet $2Mrd, befördert aber beachtliche 130t in den Orbit. Über 15.000$/kg also. Ein Rückschritt gegenüber der Atlas V gemessen an den Kosten, dafür aber ein immenser Kapazitätszuwachs.

Fliegen soll das Space Launch System bereits Ende 2021, diese erste unbemannte Mission soll die Orion Kapsel für bemannte Flüge zertifizieren.

RSC Energia: Yenisei

Die russische Rakete ist im frühen Entwicklungsstadium, jedoch ist der erste Grobentwurf schon fertig. Geplant ist eine Nutzlast von 140t in die Umlaufbahn zu bringen, anvisiert sind Startkosten von $500Mio. Ergibt also gute 3.000$/kg.

CNSA: Changzheng 9

Auch die Chinesen sind bei der Entwicklung ihrer Schwertransportrakete noch nicht weit. Die geplante Kapazität soll ebenfalls 140t betragen, zum Preis ist leider noch nichts bekannt. Mit dem Wissen, dass keinerlei Wiederverwendbarkeit geplant ist, ist jedoch von höheren Preisen als SpaceXs Falcon Heavy auszugehen.

SpaceX: Starship & Super Heavy

Bei zukünftigen Entwicklungen hat der private Sektor wieder die Nase vorne. SpaceXs Starship und der dazugehörige Super Heavy Booster sollen das Potenzial der Wiederverwendbarkeit voll ausschöpfen. Der Booster, sowie die zweite Stufe sollen fähig zur Landung und nach wenigen Stunden bereits wieder startklar sein. Damit wird kein Teil der Rakete abgeschrieben.

Geplant sind Kapazitäten von 150t in die niedrige Umlaufbahn zu einem Preis von $2Mio pro Start. Das wären revolutionäre 13,3$/kg, zwei Größenordnungen niedriger als aktuelle Preise. Damit sind SpaceX dem von der NASA gesetzten Ziel von unter 100$/kg für 2040 um Jahrzehnte voraus.

Die ambitionierte Timeline sieht einen ersten Start der Rakete bereits 2021 vor, doch erfahrungsgemäß kann SpaceX ihre eigenen Ziele nicht einhalten. Deshalb gehe ich 2022 von einem ersten Einsatz von Starship aus.

Was für Vorteile bringt das kurzfristig?

Abseits vom besiedeln des Mars haben günstigere Flüge in den Orbit auch schon greifbare Verbesserungen für das heutige Leben auf der Erde. Dass die Raumfahrt in der Vergangenheit für viele Neuentwicklungen verantwortlich war, haben wir bereits im Einführungsartikel geklärt. Reden wir also jetzt über die konkreten Chancen, die aus kostengünstigen Raketen stammen.

Kommunikation

Unser Internet basiert heute größtenteils auf einem Weltweiten Netzwerk aus leistungsfähigen Glasfaserkabeln, sowie vielen individuellen Hausanschlüssen, die auf unterschiedlichen Technologien basieren. Letzteres nennt man auch oft die "letzte Meile", deren Ausbau gerade in Deutschland ziemlich schleppend voran geht. In abgelegenen Gebieten ist das Problem noch größer, oft reicht die Bandbreite dort nur für einfachen Email Verkehr.

Starlink will hier Abhilfe schaffen. Das Projekt von SpaceX plant mit über 40.000 Satelliten schnelles Internet überall auf der Welt anzubieten. Dazu ist kein Infrastrukturausbau vor Ort mehr nötig, ein Nutzer braucht lediglich eine kleine Satellitenschüssel und Modem.

Erste Tests zeigen schon jetzt Geschwindigkeiten von über 100Mbit/s, locker genug für Netflix in UltraHD. Geplant sind 1Gbit/s für jeden Nutzer, das können selbst viele Anschlüsse in der Großstadt nicht bieten. In der Zukunft wären sogar caching Server im Weltall denkbar, um die Latenzen weiter zu minimieren.

Transport

Bei knapp 14$/kg ist es eine legitime Option, Langstreckenflüge durch Raketen zu ersetzen. Wer einmal um die halbe Welt fliegen muss, dem könnte die Zeitersparnis und spektakuläre Aussicht einen Aufpreis von einigen hundert Dollar wert sein. Mit einer Rakete ist man in unter 1h an quasi jedem Ort auf der Welt.

Abfallentsorgung

Nein, ich will nicht, dass die schwarze Tonne demnächst einfach ins All geschossen wird. Aber vielleicht ist es eine Option für unsere ausgedienten Brennstäbe. Weltweit haben wir ca. 420.000t radioaktiven Abfall angesammelt. Bei 20$/kg würden die Kosten für deren Entsorgung ins All nur $5,9Mrd betragen. Für den gesamten weltweiten Atommüll. Eine lächerlich geringe Summe, um unseren Planeten sauber zu halten. Bis wir darauf vertrauen können, dass es keine Katastrophe beim Start der Raketen gibt, werden aber wahrscheinlich noch einige Jahre ins Land gehen.

Sinkende Betriebskosten für die ISS

Allein im Jahr 2019 hat die NASA im Zuge des Kommerziellen Nachschubprogramms 3 Flüge für insgesamt über $600Mio in Auftrag gegeben. Das Ende der Raumstation ist zwar langsam absehbar, trotzdem gibt es hier noch Potential für Kosteneinsparungen.

Fazit

Günstige Flüge in den Orbit sind der erste Schritt auf dem Weg zum Mars. Alles was dort benötigt wird, muss zunächst auf der Erde hergestellt und anschließend auf die Reise geschickt werden. Für eine längerfristige Präsenz fällt eine beachtliche Masse an.

Eine Kostensenkung hat aber auch direkt greifbare Vorteile für uns auf der Erde, unmittelbar in der Kommunikation und beim Transport. Längerfristig könnte das Potential zur Abfallentsorgung sogar positive Auswirkungen auf unsere Umwelt haben.

SpaceX hat mit ihrem Starship den vielversprechendsten Ansatz, die Kosten so weit zu drücken, dass all diese Chancen realsierbar werden. Die kommenden 2-3 Jahre werden hoffentlich zeigen, ob ihre Vision umsetzbar ist.

Wie wir all dieses Potential schon in den kommenden Jahren konkret nutzen, bespreche ich im nächsten Artikel.

bis dann,
Sebastian